CDU Uhldingen-Mühlhofen

Realschule will pädagogisches Konzept statt Gemeinschaftsschule

Salem - Die Lehrer an der Realschule des Bildungszentrums Salem wollen Veränderung mit Augenmaß: Sie wollen keine Gemeinschaftsschule, aber eine enge Kooperation mit der Werkrealschule und konstruktive Lösungen auf Augenhöhe.

Auf dem Weg, das Salemer Bildungszentrum auf die geänderten schulpolitischen Rahmenbedingungen und die demografische Entwicklung mit rückläufigen Schülerzahlen einzustellen, ist mittlerweile schon viel Porzellan zerschlagen worden. Einige Lehrer, die Schulleitung und der Elternbeiratsvorsitzende der Realschule suchten jetzt das Gespräch mit dem SÜDKURIER, um ihre Position zu der von Bürgermeister Manfred Härle als „alternativlos“ propagierten Einrichtung einer Gemeinschaftsschule zum Schuljahr 2014/2015 in die Öffentlichkeit zu tragen.
ie alle wollen das konstruktive Gespräch zwischen Werkrealschule und Realschule am Bildungszentrum Salem und der Gemeinde: (von links) Realschul-Konrektor Bruno Kiebler, die Lehrer Beate Eckart, Birgit May-Frömel und Dirk Wittmann, Elternbeiratsvorsitzend
Für Realschullehrerin Beate Eckart ist das „alternativlos“ von Bürgermeister Härle alles andere als hilfreich, um am Bildungszentrum ein pädagogisches Konzept zu etablieren, das den Schülern und den Wünschen der Eltern am ehesten gerecht wird und auch zu Salem passt. „Wir sind nicht die betriebsblinden Nein-Sager, aber wir wollen die Zeit, um Schnittmengen zwischen der Werkrealschule und der Realschule zu eruieren und um pädagogische Bausteine zu entwickeln, auszutesten und zu evaluieren“, betont Realschulkonrektor Bruno Kiebler, der die Realschule seit einem halben Jahr kommissarisch leitet.

Vor rund zwei Jahren, so blättert Realschullehrerin Birgit May-Frömel die Chronologie auf, sei man mit einer aus je drei Lehrern der Werkrealschule und der Realschule zusammengesetzten Steuergruppe angetreten, um ergebnisoffen eine pädagogische Konzeption für das Bildungszentrum zu entwickeln. Dann sei man von Bürgermeister Härle aber schnell darauf hingewiesen worden, dass nie an eine ergebnisoffene Lösung gedacht gewesen sei, sondern dass das Ziel die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule sei. Alle Vorträge, die es gegeben habe, und auch die Informationsveranstaltung für die Bevölkerung im Prinz Max seien ausschließlich auf die Gemeinschaftsschule ausgerichtet gewesen. „Wir haben den Eindruck“, beklagt Realschullehrer Jürgen Schweikert, „dass es bei allen Gesprächen nur darum ging, uns auf Kurs Gemeinschaftsschule 2014/2015 zu bringen.“ Kritische Auseinandersetzungen seien als bloße Ängste und unbegründete Bedenken abgetan worden.

Mitte Juni eskalierte dann der Ton. Zu einem runden Tisch mit einem von der Gemeinde bestellten Moderator hatte die Realschule ein Papier vorgelegt, in dem auf den einstimmigen und „rechtlich bindenden“ Beschluss der Schulkonferenz gegen die Einführung einer Gemeinschaftsschule zum Schuljahr 2014/2015 verwiesen ist. In diesem Beschluss bringt die Schulkonferenz aber auch zum Ausdruck, dass Schritte der Annäherung und Kooperation zwischen Werkrealschule und Realschule erwünscht und zwingend notwendig sind. Allein dies könne Gegenstand von weiteren Gesprächen sein, heißt es in dem Papier. Daraufhin habe Bürgermeister Härle, so haben es Beate Eckart und ihr Kollege Dirk Wittmann in Erinnerung, damit gedroht, er könne die Realschule auch schließen. „Eine unglaublich massive Drohung, auch an uns Eltern“, gibt sich Elternbeiratsvorsitzender Robert Schepp über Härles Äußerung ungehalten.

Am Ende diese runden Tisches sei dann doch etwas Hoffnungsvolles gestanden, sagt Bruno Kiebler. Nämlich: Gemeinschaftsschule – Schulentwicklungsprozess in Salem. „Daraufhin sind wir ganz euphorisch in den nächsten Runden Tisch gegangen, weil wir dachten, jetzt geht es um pädagogische Dinge“, sagt Beate Eckart. Von Bürgermeister Härle habe man sich aber eines anderen belehren lassen müssen. Wörtlich wird Manfred Härle von den Lehrern zitiert: „Ich habe Sie eingeladen, um an der Entwicklung der Gemeinschaftsschule zu arbeiten. Und wenn Sie das nicht wollen, können Sie wieder gehen.“

Dem jüngsten runden Tisch ist die Realschule deshalb ferngeblieben. Konrektor Kiebler betont aber trotzdem: „Größter Wunsch von uns Lehrern, aber auch von den Eltern ist es, dass wir wieder ins Gespräch kommen, um nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Veränderungen ja, aber mit Augenmaß und auf gleicher Augenhöhe.“
 
Härle will breites Angebot am Bildungszentrum sichern
Der Salemer Bürgermeister Manfred Härle sieht Handlungsbedarf am Bildungszentrum: Er möchte eine Gemeinschaftsschule.

Hauptschule, Hauptschule mit Werkrealschule, Werkrealschule – so lässt sich die gesteuerte Evolution, besser Erosion eines immer schwächer werdenden Zweigs im dreigliedrigen Schulsystem beschreiben. Doch die neuen Attribute und Konzepte hinkten der Entwicklung und der Macht des Faktischen hinterher. Spätestens seit der Aufhebung der verbindlichen Grundschulempfehlung sind die Tage dieses Zweigs gezählt, die Anmeldezahlen und die Wünsche der Eltern sprechen eine deutliche Sprache.

Vor diesem Hintergrund hatte der Gemeinderat in Salem schon im Juni 2011 – also vor zwei Jahren – die Empfehlung ausgesprochen, die Einführung einer Gemeinschaftsschule zu prüfen und als Zeithorizont das Schuljahr 2014/15 in den Blick zu nehmen. Für manch andere Gemeinde war diese kontrollierte Entwicklung unter Einbeziehung der Realschule geradezu vorbildlich.

„Wir befassen uns nun seit mehr als zwei Jahren intensiv mit dem Thema“, sagt Bürgermeister Manfred Härle. „Dabei geht es vor allem um eine Stärkung unseres Bildungszentrums und die Sicherung eines möglichst breiten schulischen Angebots für unsere Bürger.“ Dass die Entwicklung auf ein Zwei-Säulen-Modell zusteuere, ergebe sich schon aus den Zahlen und sei weitegehender Konsens, sagt der Bürgermeister: „Ob wir es wollen oder nicht.“ Darauf würde Härle das Bildungszentrum vorbereiten. „Wir brauchen Klarheit, wie es weiter geht, und wir sehen daher Handlungsbedarf,“ sagt er.

„Nicht ganz nachvollziehbar“ ist es für Härle, dass die Realschule mehr als ein Jahr in der gemeinsamen Steuerungsgruppe mitgearbeitet habe und sich weder mit dem resultierenden Konzept identifiziere noch eine eigene Alternative vorgelegt habe. Auch dass die Schulkonferenz sich noch unmittelbar vor den Osterferien dezidiert gegen eine Gemeinschaftsschule ausgesprochen habe, um den Beschluss drei Wochen später bekannt zu geben, wundert Härle, der für die „subjektiven Sorgen“ durchaus Verständnis hat. „Doch ich habe auch schon das flammendes Plädoyer einer Realschullehrerin für die Gemeinschaftsschule gehört“, berichtet der Bürgermeister, dessen Moderationsversuche keinen Erfolg hatten.

Der Antrag auf Aufhebung der Werkrealschule, den Rektor Emil Bauscher ankündigte, liege der Gemeinde inzwischen vor, sagt Manfred Härle und hat auch dafür Verständnis: „Einem langsamen Ausbluten zuzuschauen, ist doch unwürdig.“ Konsequenz sei eben, dass Schüler, die eventuell die Werkrealschule besucht hätten, künftig auf die Realschule kämen. Was nach der Freigabe der Schulwahl gar keiner neuen Regelung bedürfe, solle nach Hinweisen aus dem Kultusministerium noch untermauert werden, betont der Bürgermeister.

Vorwürfen, er, Härle, habe die Wiederbesetzung der Leiterstelle an der Realschule nach dem Rücktritt von Rektor Furgber aktiv verhindert, widerspricht Manfred Härle ausdrücklich. Er wird vom Regierungspräsidium Tübingen bestätigt, das für die Ausschreibung der Salemer Rektorenstelle zuständig ist. „Wir haben die Stelle noch nicht ausgeschrieben, da wir zuerst Klarheit haben müssen, wie die Schulstruktur künftig aussehen wird“, sagt der der zuständige Referatsleiter Heinz Schlumpberger im Regierungspräsidium. „Diese Entscheidung wollen wir abwarten.“ Es gebe ja im Moment noch mehrere Möglichkeiten, wie und woraus sich gegebenenfalls eine Gemeinschaftsschule entwickeln solle. „Wenn dies geklärt ist, werden wir die Stelle ausschreiben“, sagt Schlumpberger. „Das soll wohl noch vor den Ferien entschieden werden.“
„Gemeinschaftsschule ist nicht erforderlich“
Jean-Christophe Thieke, Mitglied es Schulausschusses für das Bildungszentrum Salem, fordert eine ergebnisoffene Schulentwicklung.

Ehe der Gemeinderat Salem am Donnerstag, 25. Juli, über die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule am Bildungszentrum berät, beschäftigt sich am Tag zuvor der Schulausschuss des Schulverbundes Salem, Frickingen, Heiligenberg, Uhldingen-Mühl-hofen mit dem Antrag der Werkrealschule, diese Schulart am Bildungszentrum zum Schuljahr 2014/2015 aufzuheben. Als Gemeinderat von Uhldingen-Mühlhofen ist Jean-Christophe Thieke Mitglied des Schulausschusses für das Bildungszentrum. Nachfolgend nimmt Thieke zur Frage „Gemeinschaftsschule ja oder nein“ Stellung.

„Zunächst ist festzustellen, dass die Lehrerschaften der Werkrealschule wie auch der Realschule eine hervorragende Arbeit bei der Ausbildung unserer Schülerinnen und Schüler machen“, erklärt Thieke. Zum Antrag der Werkrealschule auf Aufhebung sagt er: „Die Werkrealschule muss mindestens zwei Jahre lang einzügig sein, damit die Schulbehörden aktiv werden und eine Schließung ins Spiel bringen können. Damit kann frühestens Mitte 2014 gesagt werden, ob dies der Fall ist.“ In diesem Zusammenhang weist Thieke auch darauf hin, dass selbst nach einer Aufhebung der Werkrealschule am Bildungszentrum der Erwerb eines Hauptschulabschlusses möglich wäre.

Dazu merkt Thieke an: „Einen Hauptschulabschluss oder gleichwertigen Bildungsstand erhält in Baden-Württemberg heute schon jeder Realschüler durch Vorlage des Versetzungszeugnisses von Klasse 9 nach Klasse 10 der Realschule. Damit bietet, bezogen auf die möglichen Abschlüsse, bereits heute die Realschule Salem einen Hauptschulabschluss. Die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule ist hierzu nicht erforderlich. Was wir brauchen, ist eine Schulentwicklung, die ergebnisoffen und unter Einbeziehung aller zuständigen Gremien und der Lehrerschaften primär das Wohl des Schülers im Blick hat und erst sekundär die Frage nach kommunalpolitischen Erwägungen berücksichtigt.“ (as)
So geht es weiter
Am Mittwoch, 24. Juli, dem letzten Schultag, muss der gemeinsame Schulausschuss der Trägergemeinden der Schulen am Bildungszentrum Salem – die Gemeinden Salem, Frickingen, Heiligenberg und Uhldingen-Mühlhofen – die Weichen stellen.
 
Am Donnerstag, 25. Juli, kommt der Salemer Gemeinderat noch einmal zu seiner zweiten Sitzung in dieser Woche zusammen.